Zur Mietzinsminderung wegen fehlenden Elektrobefunds
Der OGH (1 Ob 10/22k) hatte sich mit einem von einer Mieterin (unter anderem) aufgrund eines fehlenden Elektrobefunds gemäß ETV geltend gemachten Mietzinsminderungsanspruch zu befassen und gelangte hierbei zu folgenden Ergebnissen:
- Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach dem Grad und der Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts.
- Im vorliegenden Fall liege in der Beurteilung des Berufungsgerichts, für das (allein festgestellte) Fehlen eines Elektrobefunds im Sinne der ETV 2002 und der darauf beruhenden vom Vermieter nicht widerlegten Vermutung der Gefährlichkeit der elektrischen Anlage sei eine Mietzinsminderung von 20% angemessen, nach Ansicht des OGH keinesfalls eine im Einzelfall aufzugreifende klare Fehlbeurteilung.
- Über die vermutete Gefährlichkeit hinausgehende funktionelle Beeinträchtigungen des Mietgegenstands (insbesondere im Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Stromversorgung, die Funktionalität des FI-Schalters und die Verwendungsfähigkeit haushaltsüblicher Elektrogeräte) konnten schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Mieterin dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen trotz mehrerer Versuche keinen Zutritt in die Wohnung ermöglichte. Damit könne sie sich durch die Zuerkennung einer Mietzinsminderung von 20% allein für das Fehlen des Elektrobefunds keinesfalls als beschwert erachten. - Die Beweislast dafür, dass ein Mangel vorliegt, der eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft nämlich den Bestandnehmer.
Rechtlicher Hintergrund
Gemäß § 7 ETV 2020 (bzw. davor § 7a ETV 20021) ist bei Vermietung einer Wohnung gemäß § 2 Abs. 1 MRG sicherzustellen, dass die elektrische Anlage der Wohnung den Bestimmungen des ETG 1992 entspricht; bei Anlagen, die in Steckdosenstromkreisen über keinen zusätzlichen Schutz (Zusatzschutz) gemäß § 2 Abs. 2 verfügen, ist, unbeschadet des vorhandenen Anlagenzustandes, der Schutz von Personen in der elektrischen Anlage durch den Einbau mindestens eines Fehlerstromschutzschalters mit einem Nennfehlerstrom von nicht mehr als 30 mA unmittelbar vor den in der Wohnung befindlichen Leitungsschutzeinrichtungen, sicherzustellen. Liegt hierüber keine geeignete Dokumentation vor, so kann die Mieterin bzw. der Mieter der Wohnung nicht davon ausgehen, dass die elektrische Anlage diesen Anforderungen entspricht.
Rechtliche Beurteilung des OGH
a) Die Beweislast für Umstände, die Mietzinsminderung rechtfertigen, liegt beim Mieter
Die Beweislast dafür, dass ein Mangel vorliegt, der eine Zinsminderung rechtfertigt, trifft den Bestandnehmer.1
Zum Sachverhalt: Die behaupteten Mängel zu Heizung, Warmwasser und Stromversorgung (an sich) waren nicht erweislich gewesen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass in der Wohnung die Heizung oder Stromversorgung nicht funktioniert oder die „Wärmeversorgung mit Heizung und Warmwasser“ nicht gewährleistet gewesen wäre.
b) Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach dem Grad und der Dauer der Unbrauchbarkeit und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage
Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach dem Grad und der Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts2, was nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und damit regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft.3
c) Konkreter Fall: Mietzinsminderung im Ausmaß von 20% für die vermutete Gefährlichkeit der elektrischen Anlage – darüber hinausgehende Mängel des Mietgegenstands sind nicht ersichtlich
Zum Sachverhalt: In der Beurteilung des Berufungsgerichts, für das (allein festgestellte) Fehlen eines Elektrobefunds im Sinne des § 7a ETV 2002 und der darauf beruhenden vom Vermieter nicht widerlegten Vermutung der Gefährlichkeit der elektrischen Anlage sei eine Mietzinsminderung von 20% angemessen, liegt keinesfalls eine im Einzelfall aufzugreifende klare Fehlbeurteilung anlässlich dieser Ermessensentscheidung. Die Mieterin beruft sich dazu auf die zu 3 Ob 104/20w ergangene Entscheidung und fordert eine „höhere Zinsminderung“ mit der Begründung, für die (Benutzung der) Therme sei die Stromversorgung unabdingbare Voraussetzung, diese könne „aufgrund der Gefährlichkeit an elektrischen Leitungen nicht ordnungsgemäß in Betrieb genommen werden“, weswegen es an der Beheizbarkeit der Wohnung fehle. Der zu 3 Ob 104/20w entschiedene Fall lässt sich aber mit dem vorliegenden nicht vergleichen. Damals ging es um eine Wohnung, die in einem bestimmten Bereich wegen eines stillgelegten Kamins und einer gesperrten Gaszufuhr nicht beheizt werden konnte. Von einer fehlenden Beheizbarkeit der Wohnung kann aber hier – angesichts der nicht festgestellten Mängel – nicht die Rede sein. Dass im vorliegenden Fall die Beklagte als Mieterin (anders als in dem zu 4 Ob 83/19p entschiedenen Fall) den Elektrobefund jemals abgefordert oder wegen dessen Fehlen ihr Nutzungsverhalten eingeschränkt oder verändert hätte, hat sie nie vorgebracht.
Der im Verfahren beigezogene Sachverständige hatte den Auftrag (unter anderem) ein Gutachten darüber zu erstatten, ob die Stromversorgung und der FI-Schalter ordnungsgemäß funktionieren und insbesondere haushaltsübliche Elektrogeräte (Haarföhn, Kaffeemaschine, Herd) in Betrieb genommen werden können. Die Befundaufnahme scheiterte, weil die Mieterin dem Sachverständigen trotz mehrerer Versuche (auch in Anwesenheit des Gerichts) keinen Zutritt in die Wohnung ermöglichte. Damit kann sie sich durch die Zuerkennung einer Mietzinsminderung von 20% allein für das Fehlen des Elektrobefunds ohne darauf beruhende Einschränkung im Nutzerverhalten keinesfalls als beschwert erachten.
d) Entscheidung des vorliegenden Falls
Zum Sachverhalt: Die außerordentliche Revision der Mieterin wird gemäß § 508a Abs. 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Anmerkungen
Zur vermuteten Gefährlichkeit der elektrischen Anlage aufgrund eines fehlenden Elektrobefunds im Anwendungsbereich des § 7a ETV 2002 (bzw. nunmehr: § 7 ETV 2020) und einer hieraus abzuleitenden Unbrauchbarkeit der Wohnung siehe 5 Ob 66/18v (dem Vermieter steht es offen, im Einzelfall zu beweisen, dass von der Anlage keine Gefährdung ausgeht; auf das Kriterium der älteren Rechtsprechung, dass die Mängel der Anlage solche sein müssten, die den Energieversorger im Sinn des § 9 Abs. 4 ETG verpflichten, die Anlage sofort abzustellen, ist seit Inkrafttreten des § 7a ETV 2002 nicht mehr abzustellen).
Zu einer ebensolchen vermuteten Gefährlichkeit und einem hieraus abzuleitenden Mietzinsminderungsanspruch siehe 4 Ob 83/19p (aufgrund der Vermutungswirkung hat der Mieter für die Geltendmachung seines Mietzinsminderungsanspruchs die Gefährlichkeit der elektrischen Anlage nicht zu behaupten und zu beweisen, sondern nur die Vermutungsbasis, also den Umstand, dass die Anlage nicht dem ETG 1992 entspricht bzw. keine – einwandfreie – Dokumentation gemäß § 7a ETV 2002 (bzw. nunmehr: § 7 ETV 2020) vorliegt; Tatsachen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen nämlich keines Beweises; der Mietzinsminderungsanspruch des Mieters währt so lange, bis der Vermieter im Einzelfall den (Gegen-)Beweis erbracht hat, dass von der Anlage keine Gefährdung und keine daraus folgende Gebrauchsbeeinträchtigung ausgeht).
Nach der Entscheidung 5 Ob 91/19x gilt die Dokumentationspflicht gemäß § 7a ETV 2002 (bzw. nunmehr: § 7 ETV 2010) und die sich hieraus ergebende Beweislastumkehr hinsichtlich der (Un-)Gefährlichkeit der Anlage bei fehlender, mangelhafter oder negativer Dokumentation nur in der Vollanwendung des MRG.4
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RS0021416 [T1]. ↩︎
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RS0021324. ↩︎
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RS0021324 [T3]; RS0108260 [T2]. ↩︎
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Dies ist insofern nicht folgerichtig, als die Bestimmung des § 2 Abs. 1 MRG, auf welche in der ETV verwiesen wird, formal zwar nur in der Vollanwendung des MRG gilt, von der Rechtsprechung (RS0069464; RS0108981; 4 Ob 556/90) aufgrund seiner Allgemeinheit aber auch für den Teilanwendungsbereich des MRG für anwendbar erklärt wird. ↩︎