Zur Kündigung von unregelmäßig verwendeten Geschäftsräumen
Der OGH (4 Ob 62/21b) hatte sich mit dem in der Voll- und in der Teilanwendung des MRG geltenden Kündigungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG (nicht regelmäßige Verwendung zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung) zu befassen und gelangte hierbei zu folgenden Beurteilungen:
- Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG setzt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus.
- Eine im Mietgegenstand nur noch (sehr) selten ausgeübte geschäftliche Tätigkeit ist nicht mehr als gegenüber der vertraglich vereinbarten Nutzung gleichwertig anzusehen.
- Im vorliegenden Fall wurde das aufgekündigte (zum Betrieb als ärztliche Ordination bzw. zu Bürozwecken samt Garage vermietete) Mietobjekt vom mittlerweile 73-jährigen Mieter seit Jahren nur mehr für zwei Stunden pro Woche für die Behandlung von Patienten benützt. Der Mieter reduzierte damit seine frühere (dem Mietvertrag entsprechende) Tätigkeit in der Ordination um 80 Prozent. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des Mietobjekts in einem so geringen Ausmaß könne nicht mehr als geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Vertrags angesehen werden, weshalb der Kündigungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG erfüllt sei, wurde vom OGH als jedenfalls vertretbar erachtet.
Rechtlicher Hintergrund
Gemäß § 30 Abs. 2 Z 7 MRG liegt in der Voll- und in der Teilanwendung des MRG ein wichtiger Kündigungsgrund vor, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, dass der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts abwesend ist.
Sachverhalt
Die Vorinstanzen haben die auf § 30 Abs. 2 Z 7 MRG gestützte Aufkündigung für rechtswirksam erkannt und den Mieter zur Räumung der als Geschäftsräume gemieteten Bestandräumlichkeiten (ärztliche Ordination samt Garage) verurteilt, weil seit ca. drei Jahren eine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Vertragszwecks nicht mehr vorliege.
Rechtliche Beurteilung des OGH
a) Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus
Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG setzt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form voraus.1 Der Mieter hat die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwendet er sie zu einem anderen Zweck, dann ist die Gleichwertigkeit zu prüfen.2
b) Konkreter Fall: Die dem Mietvertrag entsprechende Tätigkeit wurde vom Mieter um 80 Prozent auf nur zwei Stunden pro Woche reduziert
Sowohl die Prüfung des bedungenen Vertragszwecks3 als auch der tatsächlichen Verwendung eines Bestandobjekts4 hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Entscheidung kann daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.5
Zum Sachverhalt: Eine solche vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde das aufgekündigte (zum Betrieb als ärztliche Ordination bzw zu Bürozwecken samt Garage vermietete) Mietobjekt vom mittlerweile 73-jährigen Mieter seit Jahren nur mehr für zwei Stunden pro Woche für die Behandlung von Patienten benützt. Der Mieter reduzierte damit seine frühere (dem Mietvertrag entsprechende) Tätigkeit in der Ordination um 80 Prozent. Er behandelt im Monat maximal vier bis acht Patienten, zum Teil nur zwei. Angestellte sind in der Ordination nicht tätig, es gibt dort auch keine Unterlagen. Auf Basis dieses festgestellten Sachverhalts ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des Mietobjekts in einem so geringen Ausmaß könne nicht mehr als geschäftliche Tätigkeit im Sinne des Vertrags angesehen werden, jedenfalls vertretbar.
c) Eine im Mietgegenstand nur noch (sehr) selten ausgeübte geschäftliche Tätigkeit ist nicht mehr als gegenüber der vertraglich vereinbarten Nutzung gleichwertig anzusehen
Zum Sachverhalt: Unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 98/18z kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden.
In der zurückweisenden Entscheidung 5 Ob 98/18z hielt der OGH fest, dass die Nutzung eines Büros nur dann im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG eine regelmäßige Verwendung zu geschäftlichen Zwecken ist, wenn sie während eines beachtlichen Zeitraums pro Jahr bzw während mehrerer Tage pro Woche erfolgt.
Zum Sachverhalt: Der Mieter rügt, dass ein Büro mit einer Ordination hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Verwendung nicht zu vergleichen sei. Er blendet dabei aus, dass das Berufungsgericht ohnedies von einer nur beschränkten Vergleichbarkeit ausgegangen ist. Weder das Berufungsgericht noch das Erstgericht haben vertreten, dass eine geschäftliche Tätigkeit bei einer Ordination die tägliche Nutzung voraussetze. Die Vorinstanzen sahen den Kündigungsgrund aber deshalb als gegeben an, weil der Beklagte seine bisherige geschäftliche Tätigkeit um 80 Prozent auf insgesamt bloß zwei Stunden pro Woche reduziert hat. Dem tritt das Rechtsmittel argumentativ nur mit dem Hinweis entgegen, dass die Ordination dessen ungeachtet nach wie vor „regelmäßig verwendet wird“. Dabei lässt der Mieter außer Betracht, dass es bei der Beurteilung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs. 2 Z 7 MRG nicht nur auf die Regelmäßigkeit, sondern auch auf die Intensität der geschäftlichen Tätigkeit ankommt.6 Wenn die Vorinstanzen daher nicht bloß auf den Umstand abstellten, dass das Bestandobjekt vom Mieter überhaupt noch für seine Tätigkeit als Arzt verwendet wird, sondern (auch) das konkrete Ausmaß der Verwendung berücksichtigten, entspricht das der Rechtsprechung. Eine im Mietgegenstand nur noch (sehr) selten ausgeübte geschäftliche Tätigkeit der nach dem Vertrag bedungenen Art wird demnach nicht als gleichwertig angesehen.7
d) Entscheidung des vorliegenden Falls
Zum Sachverhalt: Die außerordentliche Revision des Mieters spricht keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung an. Sie wird daher gemäß § 508a Abs. 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen.
Anmerkungen
Ob eine im Bestandobjekt ausgeübte betriebliche Tätigkeit mit der ursprünglich im Mietvertrag bedungenen gleichwertig ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar.8
Weder geänderte Öffnungszeiten noch ein anderes "Zielpublikum" haben für sich alleine zur Folge, dass die geschäftliche Betätigung nicht gleichwertig ist.9 Das Interesse des Vermieters an Form und Umfang der Benützung der gemieteten Räumlichkeiten ist aber sehr wohl ein Beurteilungskriterium und daher nicht vernachlässigbar: Ist die neue Verwendung gegenüber der vereinbarten wesentlich belastender und mit einer größeren Belästigung verbunden, so liegt eine gleichwertige geschäftliche Betätigung nicht vor.10
Eine gleichwertige Verwendung liegt – abgesehen von der im vorliegenden Fall thematisierten geringen Intensität der Nutzung, die nicht mehr der vertraglichen Vereinbarung entspricht – insbesondere dann nicht vor, wenn der Mietgegenstand nur mehr für gegenüber der vertraglichen Abrede mindere Zwecke verwendet wird, etwa als Lager- und Schauraum11, als „Rumpelkammer“12, zu Magazinzwecken13 oder als Archiv, Lager und Abstellraum14.
Entspricht eine Verwendung der Geschäftsräumlichkeiten zwar nicht dem Vertrag, ist diese aber immerhin als gleichwertig anzusehen, so besteht für den Vermieter keine Kündigungsmöglichkeit. Stattdessen kann der Vermieter die vertragswidrige Benützung des Mietgegenstands nur mit Unterlassungsklage aufgreifen.15
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RS0070431 ↩︎
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RS0070410 [T4] ↩︎
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RS0042776 [T21]: Umfang des Gebrauchsrechts ↩︎
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RS0070410 [T5]: Prüfung der geschäftlichen Tätigkeit ↩︎
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5 Ob 98/18z ↩︎
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RS0070431; jüngst 3 Ob 147/20v. ↩︎
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ZB 7 Ob 608/85 [nur mehr äußert seltene Verwendung des als Verkaufslokal gemieteten Objekts zu Kontakt mit Kunden]; 3 Ob 534/94 [starker Rückgang einer Verkaufstätigkeit]; RS0070381. ↩︎
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RS0070332 [T5] ↩︎
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RS0070342; OGH 8 Ob 512/93 [Videokassettenverleih statt Textilgeschäft]. ↩︎
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OGH 9 Ob 241/97z [Spiel-Treff mit 24-Stunden-Betrieb statt Damenmodengeschäft]; 6 Ob 286/08i [Wettbüro bzw. Automatenspielsalon statt Gastgewerbe]. ↩︎
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RS0070376 ↩︎
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RS0070386 ↩︎
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RS0070381 ↩︎
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RS0070397 ↩︎
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Vgl hierzu RS0020789. ↩︎