Quod licet Iovi, non licet bovi
Nun, es ist ein edler Gedanke: Gleichstellung auf allen Ebenen! Sicher war es klar, dass es einfach Unzumutbarkeiten geben würde, doch war das mit 1.1.2006 in Kraft getretene Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) ein wesentlicher Bestandteil davon, dass es in Zukunft für alle Mitbürger, egal mit welcher Einschränkung, einfacher werden würde.
Es erscheint gerade in diesem Zusammenhang skurril, dass sich die öffentliche Hand gerade beim Thema „Chancengleichheit“ Vorteile und Privilegien verschafft, die Privaten und Unternehmern in dieser Form nicht zustehen sollen. Und es erscheint vor allem befremdlich, dass gerade jene benachteiligt werden, die zu einem Gutteil für das Steueraufkommen zu sorgen haben, über das die öffentliche Hand verfügt. Der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund fordert daher gerade bei diesem Thema Chancengleichheit für alle.
Angelpunkt ist das verankerte Diskriminierungsverbot, das nicht nur Fälle unmittelbarer, sondern auch mittelbarer Diskriminierung erfasst. Der Gesetzgeber versteht darunter u.a. bauliche Barrieren wie Stufen oder zu schmale Türstöcke, die den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, beschneiden.
Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot löst Schadenersatzpflichten aus, es sei denn, die Beseitigung des Hindernisses ist rechtswidrig – ein Gebäude steht unter Denkmalschutz und lässt daher keinen barrierefreien Zugang zu – oder ist wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar.
Da von vornherein klar war, dass für bauliche Barrieren die Umsetzung nicht von heute auf morgen erfolgen kann, statuierte der Gesetzgeber Übergangsbestimmungen.
Das Gesetz sollte für bauliche Barrieren, die vor dem 1.1.2006 bewilligt wurden – also bestehende Gebäude – erst nach einer Frist von zehn Jahren, somit ab dem 1.1.2016, Anwendung finden.
Adressat des Diskriminierungsverbots ist der Bund im Rahmen der Verwaltung und in seiner Funktion als Träger von Privatrechten. Das Gesetz bezieht aber auch alle Rechtsverhältnisse in den personellen Geltungsbereich ein, soweit es um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Der Bund als Eigentümer eines Amtsgebäudes und der Inhaber eines Geschäftslokals – egal ob Eigentümer oder Mieter – sind als unmittelbarer Anbieter von Gütern und Dienstleistungen vom Verbot der Diskriminierung ebenso angesprochen wie der Zinshausbesitzer, der selbst als Anbieter des Guts „Wohn- oder Geschäftsraum“ am Markt agiert.
Mit einer Novelle im Jahr 2011 schlich sich in Gestalt einer unscheinbaren Ergänzung eine Fristverlängerung zugunsten des Bundes ein: Eine mittelbare Diskriminierung wegen baulicher Barrieren liegt nur dann vor, wenn die Beseitigung der Barriere im Etappenplan vorgesehen ist und bis Ende 2019 (also noch weitere vier Jahre dazu) nicht umgesetzt wurde.
Noch großzügiger in Sachen Fristverlängerung verfährt Wien: Für den auf Grundlage des Wiener Antidiskriminierungsgesetzes bis zum 30.6.2012 zu erstellenden Plan zum Abbau baulicher Barrieren für die von der Stadt Wien genutzten Gebäude hat sich diese als Zeitplan zur Fertigstellung der Umsetzung 30 Jahre verordnet, womit die Frist erst 2042 endet.
Der Bund spielt in diesem Fall das Spiel „Alle sind gleich – aber manche sind gleicher“, oder vielleicht doch „ungleicher?“