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Ökosoziale Steuerreform 2022: „Mehr fürs Leben – fair für alle“

Ein Beitrag von Dr. Stefan Drawetz (Steuerexperte, Leiter der Steuergruppe vom ÖHGB) und Mag. Daniel Fussi (Grazer Treuhand Steuerberatung).

Layoutbild Steuerreform 2022

Handelt es sich bei der neuen Steuer­reform tatsächlich um die größte Steuer­entlastung oder doch um die „größte Mogel­packung der Zweiten Republik“? Die Meinungen der Regierungs- und Oppositions­parteien fallen sehr unterschiedlich aus.

Im Folgenden werden ausgewählte maßgebliche Neuerungen dargestellt, damit sich unsere Leser und Leserinnen selbst eine Meinung bilden können.

Mit einem Entlastungs­volumen von 18 Mrd. € bis 2025 soll die ökosoziale Steuer­reform eine Revolution des Steuer­systems und unter dem Slogan „Mehr fürs Leben – fair für alle“ vor allem selbständig Erwerbs­tätigen mit niedrigen und mittleren Einkommen sowie Gering­verdienern höhere Steuer­entlastungen bringen. Aufgrund der Vielzahl an teilweise komplexen Änderungen und Neu­regelungen (vor allem der Ein­führung eines nationalen Emissions­zertifikate­handels und einer erstmals eingeführten Besteuerung von Krypto­währungen), stehen im folgenden Artikel nur die Ent­lastungs­maßnahmen für Privat­haushalte und Unternehmen im Fokus.

Ent­lastungs­maß­nahmen für Privat­haus­halte

Senkung Steuer­sätze Lohn- und Ein­kommen­steuer

Als weit­reichendste und ent­lastungs­stärkste Maßnahme der Steuer­reform (2,75 Mrd. € bis 2025) kann als erstes die Senkung der nach Ein­kommens­höhe gestaffelten Lohn- und Ein­kommen­steuer angeführt werden.

Nach der Senkung der untersten Tarifstufe im Jahr 2020 von 25 auf 20 Prozent, werden mit dem Ökosozialen Steuer­reform­gesetz (ÖkoStRefG) 2022 nun auch die zweite und dritte Tarifstufe von 35 auf 30 bzw. von 42 auf 40 Prozent gesenkt. Die Senkung erfolgt schrittweise mit einem ganz­jährig anzuwendenden Misch­steuer­satz von 32,5 % im Jahr 2022 für die zweite und 41 % in 2023 für die dritte Tarifstufe.

Familien­bonus Plus

Zur steuerlichen Entlastung von Familien wird der bereits 2019 eingeführte Familien­bonus Plus ab dem 1. Juli 2022 angehoben. Für Kinder bis zum vollendeten 18. Lebens­jahr erhöht sich der jährliche Familien­bonus von 1.500 € auf 2.000 € pro Kind. Bei Kindern ab 18 Jahren kommt es zu einer Anhebung von 500 € auf 650 € pro Jahr.

Gewinn­beteiligung für Mit­arbeiter

Ab dem Jahr 2022 wird eine neue steuer­freie Gewinn­beteiligung für aktive Arbeit­nehmer bis zu einer Höhe von 3.000 € pro Jahr geschaffen. Die Gewinn­beteiligung muss dabei entweder allen oder bestimmten Gruppen von Arbeit­nehmern gewährt werden und ist mit dem Vor­jahres­gewinn des Dienst­gebers begrenzt. Die Mit­arbeiter­beteiligung darf allerdings nicht anstelle des bisher gezahlten Arbeits­lohns oder einer üblichen Lohn­erhöhung erfolgen, sondern muss zusätzlich gezahlt werden.

Sonder­ausgaben für emissions­reduzierende Maß­nahmen bei Gebäuden ab April 2022

Neben den bereits bestehenden direkten Förder­instru­menten wie z.B. „Raus aus Öl und Gas“ und dem Sanierungs­scheck, wird mit der steuer­lichen Förderung für die thermische Sanierung von Gebäuden und dem Heizungs­tausch von fossilen gegen klima­freund­lichere Systeme ein weiterer Anreiz für eine De­karbon­isierung der Wärme­versorgung von Gebäuden gesetzt.

Voraus­setzung dafür ist eine Förderung des Bundes und eine Übermittlung der Förder­daten an die Transparenz­daten­bank.

Die Daten werden automatisch von der die Förderung auszahlenden Stelle gemeldet.

Übersteigen die Ausgaben abzüglich der ausbezahlten Förderung bei der thermischen Sanierung eines Gebäudes 4.000 € bzw. bei einem Heizungs­tausch 2.000 €, wird bei Vorliegen der übrigen Voraus­setzungen ein Pauschal­betrag von jährlich 800 € bzw. 400 € über einen Zeitraum von fünf Jahren automatisch von der Ab­gaben­behörde als Sonder­ausgabe berücksichtigt. Dieses System der automatischen Absetzung von Sonder­ausgaben kennen wir bereits seit einigen Jahren bei Kirchen­beiträgen und Spenden.

Verkürzter Vor­steuer­berichtigungs­zeit­raum bei Über­tragungen gem. § 15c WGG

Als letzte Ent­lastungs­maßnahme für Privat­personen, wird die Kürzung des Vor­steuer­berichtigungs­zeit­raumes bei Miet­kauf­modellen des gemein­nützigen Wohnbaus beleuchtet.

Zur Vermeidung von Miss­verständ­nissen gleich vorweg: Diese Maßnahme ist aus­schließlich auf Wohnungen anzuwenden, die unter das Wohnungs­gemein­nützig­keits­gesetz (WGG) fallen und für die unter bestimmten Voraus­setzungen für Mieter ein gesetzlicher Anspruch einer Kauf­option besteht.

Beim umsatz­steuer­freien Kauf einer solchen Wohnung verringert sich für den gemein­nützigen Bauträger der Zeitraum für Vor­steuer­bericht­igung von derzeit zwanzig auf nunmehr zehn Jahre. Dadurch soll es zu einer Kauf­preis­senkung für den Käufer kommen.

Erstmals anwendbar ist diese Regelung für Über­tragungen in das Wohnung­seigen­tum, die nach dem 31. März 2022 erfolgen.

Ent­lastungs­maß­nahmen für Unter­nehmen

Neben einem starken Fokus auf die steuer­liche Ent­lastung von Gering­verdienern und Dienst­nehmern, sieht die Ökosoziale Steuer­reform auch einige Änderungen und Neuerungen für Unternehmen und Gewerbe­treibende vor:

Schrittweise Senkung der Körper­schaft­steuer

Um die Attraktivität des Wirt­schafts­stand­ortes Österreich nach den wirtschaftlich schwierigen letzten zwei Corona-Jahren weiterhin auszubauen und sicher­zustellen, setzt der öster­reichische Gesetz­geber mit der geplanten Senkung des Körper­schaft­steuer­satzes nun auch eine unter­nehmer­freund­liche Maßnahme um, die in fast allen Nachbar­ländern bereits in den letzten Jahren vollzogen wurde.

Im Jahr 2023 wird der Körper­schaft­steuer­satz von derzeit 25 % auf 24 % gesenkt. Ab 2024 folgt eine Herabsetzung auf 23 %, womit Österreich dann nur mehr 1,6 Prozent­punkte über dem durch­schnitt­lichen Körper­schaft­steuer­satz der 27 EU-Staaten liegt (Betrachtungsjahr 2021). Für Unter­nehmen mit ab­weichendem Wirtschafts­jahr wird es Über­gangs­regelungen geben.

Erhöhung Grund­frei­betrag zum Gewinn­frei­betrag und GWG Grenze

Als Entlastung von Einzel­unter­nehmen und Personen­gesell­schaften, die nicht der Körper­schaft­steuer unter­liegen, sieht das ÖkoStRefG 2022 eine Erhöhung des Grund­frei­betrags zum Gewinn­frei­betrag ab dem 1. Jänner 2023 vor.

Der derzeit geltende Grund­frei­betrag von 13 % (vom Grund­frei­betrag bis 30.000 €) wird auf 15 % erhöht und beträgt somit ab 2023 maximal € 4.500.

Eine weitere zu begrüßende Maß­nahme – ist sie doch nahezu die einzige auch für Ver­mieter steuer­senkend wirkende Maß­nahme – ist die Erhöhung der Sofort­ab­schreib­ung gering­wertiger Wirt­schafts­güter (GWG). Die erst im Jahr 2020 auf 800 € erhöhte Grenze wird ab 2023 nun weiter auf 1.000 € erhöht, was Unter­nehmen und Ver­mietern mehr Ge­staltungs­möglich­keiten im Hinblick auf die steuer­liche Behandlung von Wirt­schafts­gütern des An­lage­vermögens bis 1.000 € ermöglicht.

(Öko-)In­vestitions­frei­betrag

Gewisser­maßen ein Comeback feiert ab 2023 der (Öko-)In­vestitions­frei­betrag (IFB). Das Steuer­recht kannte bereits in den Jahren 1995 bis Ende 2000 einen ähnlich aus­gestalteten In­vestitions­frei­betrag, der nun modernisiert in das derzeit bestehende Steuer­system eingebettet wird.

In seiner „Basis-Form“ erlaubt der neue IFB den Ansatz von 10 % der An­schaffungs- oder Her­stellungs­kosten von abnutzbaren Wirtschafts­gütern des An­lage­vermögens mit einer Mindest­nutzungs­dauer von vier Jahren als zusätzliche Betriebs­ausgabe.

Handelt es sich dabei um Wirtschafts­güter aus dem Bereich der Öko­logisierung, erhöht sich der IFB um 5 %. Was darunter zu verstehen ist, soll noch durch eine Ver­ordnung festgelegt werden.

Fazit

Die Öko­soziale Steuer­reform bietet einige Neuheiten im Steuer­recht und wartet mit Er­leichter­ungen vor allem für Gering- und Wenig­verdiener und Familien, sowie Unter­nehmer und Unter­nehmer­innen auf. Aus Sicht des ÖHGB ist freilich zu beklagen, dass unsere gebets­mühlen­artig vor­getragenen Forder­ungen nach investitions- und umwelt­fördernden Maß­nahmen auch für Ver­mieter abermals ungehört geblieben sind. Eine steuer­freie Rücklage oder beschleunigte Abschreibung oder anderweitige Begünstigung für energie­effiziente Investitions- und Sanierungs­maß­nahmen von Alt­beständen hätte wirklich gut in das ambitionierte Reform­konzept gepasst und wäre der Gesellschaft im Allgemeinen zugute­gekommen.

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