ÖHGB-Präsident kritisiert Eigentumsfeindlichkeit der Regierung
KURIER: Arbeiterkammer, Pensionistenverband und Junge Generation kritisieren die explodierenden Mieten. Wie arg ist es?
Martin Prunbauer: Der Verband der Immobilienwirtschaft hat das berechnen lassen: 1986 kostete eine 70 Quadratmeter große Kategorie A-Wohnung den Gegenwert von 37,3 Industriearbeiterstunden. 2013 waren es 39,6. Nicht so arg, wenn man bedenkt, wie sich die Baukosten entwickelt haben. 1986 gab es außerdem 40 Prozent Kategorie A-Wohnungen, 2013 aber 92 Prozent, und die Wohnfläche pro Person ist gestiegen. Man kann auch nicht einen Golf aus 1986 mit einem Mercedes aus 2013 vergleichen und sagen: "Die Autos sind so teuer geworden!" Viele Berechnungen lassen überdies die Betriebskosten außer Acht, die zum Beispiel in Wien explodiert sind.
KURIER: Was wünschen Sie sich vom neuen Mietrecht, das gerade verhandelt wird?
Martin Prunbauer: Der Neubau ist natürlich wichtig. Wir müssen aber auch den bestehenden Wohnraum mobilisieren.
KURIER: Es heißt, dass 20.000 bis 40.000 Wohnungen allein in Wien leer stehen.
Martin Prunbauer: In Wien sind das nur ungefähr 3 Prozent. Gewisse Leerstände wird es immer geben, weil es Mieterwechsel, Sanierung oder Streit um eine Verlassenschaft gibt. Das wahre Problem ist die Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Mietern: Ein älterer Alleinstehender wird in der Vierzimmer-Wohnung bleiben, die ihm längst zu groß ist, weil eine neue Zwei-Zimmer-Wohnung teurer ist. Gleichzeitig gehören 47 Prozent der Mieter im sozialen Wohnbau zu den Gutverdienern. Das ist nicht fair.
KURIER: Dafür spricht, dass die soziale Durchmischung im Gemeindebau erhalten bleiben soll.
Martin Prunbauer: Da bin ich dafür. Aber man sollte so wie in anderen Ländern die Altmieten auf ein angemessenes Niveau anheben. Jenen, die es brauchen, sollte man, so lange es nötig ist, eine Förderung im Sinne eines Mietzinsabschlages gewähren. Außerdem könnten die Gemeinden Mietzinsbeihilfen für Leute zahlen, die auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen sind. Der private Markt versorgt nämlich mehr Leute mit niedrigen Einkommen als die Gemeinden und Genossenschaften.
KURIER: Für den privaten Wohnungsmarkt gibt es schon jetzt Mietzinsbeihilfen.
Martin Prunbauer: Stimmt – aber die Kosten würden dann an die Miete, die man im sozialen Wohnbau zahlt, angepasst werden: weg von der Objektförderung hin zur Subjektförderung. Damit wäre förderwürdigen Menschen geholfen, die im sozialen Wohnbau nichts finden und sich privat versorgen müssen.
KURIER: Politisch wird derzeit eine Einheitsmiete diskutiert.
Martin Prunbauer: Das von der SPÖ geforderte Universalmietrecht wäre ein Garant, dass es keine Wohnungen mehr gibt, weil niemand mehr investiert. Eine Liberalisierung würde viel mehr bringen. Dass Regulierungen nicht funktionieren, haben wir schon oft gesehen. Früher wurden auch die Preise der Grundnahrungsmittel geregelt. Das alles wurde abgeschafft und hat auch nur in allerhöchsten Notzeiten Sinn. Aber bei den Mieten wird es als ideologische Fahnenfrage hochgehalten.
KURIER: Schaut so aus, als würde es so bleiben.
Martin Prunbauer: Aber betrachten Sie nur, was in letzter Zeit alles Vermieterfeindliches geschehen ist: bei Verkauf und Vererbung von Immobilien wurden die Steuern deutlich angehoben, und ich darf nicht mehr 80, sondern nur mehr 60 Prozent der Investitionen abschreiben – sogar rückwirkend. Außerdem wurde die heuer (alle zwei Jahre) fällige Inflationsanpassung für Mieten kurzfristig ausgesetzt. Bei Mietern wird immer auf Vertragssicherheit gepocht, Vermieter haben keine. Der Wiener Richtwert ist der zweitniedrigste nach dem Burgenland. Da stimmt vieles nicht!
KURIER: Der Vermieter ist in der öffentlichen Wahrnehmung kein Sympathieträger – möglicherweise sind Sie der Politik deshalb auch nicht besonders wichtig.
Martin Prunbauer: In den Köpfen spukt noch immer das unzeitgemäße Bild des Vermieters, der am Abend den Stock mit Silberknauf auspackt, um die Mieter zu schlagen. Wohnungs- bzw. Grundbesitzer ist aber auch, wer nur ein Einfamilienhaus oder eine Vorsorgewohnung besitzt. Da gibt es ganz viele.
KURIER: Auch eine neue Grundsteuer steht im Raum.
Martin Prunbauer: Das wäre eine echte Vermögens- und Substanzsteuer. Sie träfe alle: jene 60 Prozent der Österreicher, die im Eigentum leben – und die Mieter, an die das weiterverrechnet wird.
KURIER: Ist schon eine Investitionsbremse bemerkbar?
Martin Prunbauer: Wenn das neue Mietrecht jetzt noch weitere Regulierungen schafft, dann wird der kleine Eigentümer nicht mehr sanieren. Das hat Auswirkungen auf die Umwelt, auf den Arbeitsmarkt, aufs Stadtbild. In den Siebzigerjahren war Wien grau in grau. Wollen wir das wieder?
Zur Person: Der Rechtsanwalt Martin Prunbauer (54) ist Präsident des Haus- und Grundbesitzerbundes. Das ist die Dachorganisation und Koordinationsstelle der in jedem Bundesland eingerichteten Haus- und Wohnungseigentümerverbände.
Studie zu Mietkosten: Die im Interview erwähnte Studie „Leistbare Mieten – leistbares Leben“ wurde von der Ökonomin Agnes Streissler-Führer im Auftrag des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft verfasst.