Haftung für Schäden durch umstürzende Bäume
Der Nationalrat hat in seiner Sitzung vom 21. März 2024 in Gestalt des Haftungsrechts-Änderungsgesetzes 2024 (HaftRÄG 2024) durch die Schaffung eines § 1319b ABGB die Haftung für Personen- und Sachschäden durch umstürzende Bäume und herabfallende Äste neu geregelt.
- Mit § 1319b ABGB, der am 1. Mai 2024 in Kraft treten wird, wird ein eigens ausgeformter Haftungstatbestand für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der Baumhalter geschaffen.
- Die bisherige – durch analoge Heranziehung der Grundsätze der Bauwerkshaftung nach § 1319 ABGB bestehende – Beweislastumkehr zulasten der Baumhalter entfällt.
- Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen wird auch ein Abwägungselement angesprochen, nämlich ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes. Die Fällung von Bäumen wie auch sonstige gravierende Eingriffe, wie etwa funktionsbeeinträchtigende Schnittmaßnahmen („Angstschnitte“ vor dem Hintergrund oftmals unabwägbarer Haftungsrisiken) sollen aufgrund des besonderen Werts der Bäume für die Lebensqualität von Menschen und wegen deren besonderer ökologischer Bedeutung so weit wie möglich vermieden werden.
Durch die Schaffung einer eigenen Bestimmung über die Haftung des Baumhalters wird diesen Einwänden Rechnung getragen, indem einer analogen Anwendung der Bauwerkehaftung auf Bäume damit die Grundlage entzogen wird. Zur Frage der Beweislast wird überdies in Abs. 3 des neuen § 1319b ABGB die klarstellende Anordnung getroffen, dass auf einen Schadenersatzanspruch nach dieser Bestimmung die allgemeinen Regelungen über die Beweislast anzuwenden sind.
Rechtsdogmatisch handelt es sich bei der im neuen § 1319b ABGB geregelten Schadenersatzpflicht um eine Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Demgemäß werden in dieser Bestimmung die von Lehre und Rechtsprechung für solche Verkehrssicherungspflichten entwickelten Grundsätze gleichsam positiviert, dies allerdings bezogen auf die spezifischen Kriterien, die für das bei Bäumen relevante Risiko und für die Sorgfaltsanforderungen des Baumhalters von Bedeutung sind. Doch wird dabei unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen auch ein Abwägungselement angesprochen, nämlich ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand eines Baumes. Wenn ein Baum wegen seines besonderen Werts für die Lebensqualität von Menschen oder wegen seiner besonderen ökologischen Bedeutung erhaltungswürdig ist, sollten sowohl seine Fällung als auch sonstige gravierende Eingriffe, wie etwa funktionsbeeinträchtigende Schnittmaßnahmen, so weit wie möglich vermieden werden. Freilich kann das besondere Interesse am naturbelassenen Zustand kein absolut zu stellender, sondern nur ein Aspekt unter mehreren sein, weil der Schutz von Leib und Leben selbstverständlich einen eminenten Stellenwert hat und auch die Vermeidung von Sachschäden angestrebt werden muss. Doch wird von der normativen Ausformung dieser Überlegung der Erhaltungswürdigkeit in der neuen Gesetzesbestimmung gewiss ein nicht zu unterschätzender Effekt für die Praxis ausgehen.